Fünf Tage sind vergangen, seit tausende Söldner der berüchtigten Wagner-Truppe erst die südrussische Stadt Rostow am Don besetzten und dann nach Moskau weitermarschierten – bis ihr Chef Jewgeni Prigoschin seine Privat-Armee überraschend zurückpfiff. Russlands Präsident Wladimir Putin spricht von einem vereitelten Bürgerkrieg. Prigoschin soll sich mittlerweile im Exil in Belarus befinden.
Doch nach wie vor sind zahlreiche Fragen offen. Hat der mutmaßliche Putsch den Kreml-Chef tatsächlich geschwächt, wie viele Experten sagen? Steht sein System vor dem Aus? Oder ist dies westliches Wunschdenken – und exakt das, was Putin Europa glauben lassen will? Was bedeutet der innerrussische Konflikt für den Krieg gegen die Ukraine? Steigt damit auch die Gefahr für Europa, das jüngst das elfte Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet hat und die Ukraine weiterhin mit Waffenlieferungen unterstützen will? Und wie groß ist das Risiko einer weiteren Eskalation? Die Gäste bei Michael Fleischhacker: Die Politikwissenschaftlerin Velina Tchakarova sieht im Putsch-Versuch eine Inszenierung, die für die Ukraine kurzfristig wenig Auswirkungen habe – der einzige Weg vorwärts sei ein Machtwechsel im Kreml. Der Schweizer Publizist und Medien-Unternehmer Roger Köppel warnt vor den verheerenden Folgen eines Machtvakuums in Moskau – der Westen wäre gut beraten, seine Strategie im Umgang mit Russland zu überdenken. Der Konfliktforscher Wolfgang Sporrer hält die Lage in Russland für hochkomplex und schwer einschätzbar, der Fokus des Westens müsse aber jedenfalls weiterhin auf der Unterstützung der Ukraine liegen. Für die Kommunismus-Expertin und Autorin Bettina Röhl ist die These, Putin sei angezählt, pures Wunschdenken, sie plädiert im Krieg mit der Ukraine für Waffenstillstand und Verhandlungen. Der Journalist und Unternehmer Thomas Fasbender hat viele Jahre in Moskau gelebt und die jüngste deutschsprachige Putin-Biografie verfasst. Er hält Putin für einen kalten Pragmatiker, der aus den jüngsten Ereignissen durchaus Vorteile ziehen könnte.